Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft stand im Mittelpunkt

Fachforum von MdL Petra Högl mit früheren EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler und Landwirtschaftsminister a.D. Helmut Brunner

13.11.2019
MdL Petra Högl diskutierte mit dem früheren EU-Agrarkommissar Franz Fischler (r.) und Staatsminister a.D. Helmut Brunner (r.)
MdL Petra Högl diskutierte mit dem früheren EU-Agrarkommissar Franz Fischler (r.) und Staatsminister a.D. Helmut Brunner (r.)

Den Nerv der Zeit hat die Kelheimer CSU-Landtagsabgeordnete Petra Högl mit ihrem Fachforum zur Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft getroffen. Knapp 100 Gäste, darunter zahlreiche Landwirte, Vertreter des Bauernverbandes, der Jungbauernschaft und auch der Hopfenerzeugung- und Verwertung aus der Region konnte Högl in Hausen begrüßen. Vor dem Hintergrund der mächtigen Einflüsse Europas auf die Landwirtschaft und den demnächst anstehenden wichtigen Entscheidungen gelang es Högl mit dem früheren EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler aus Österreich und dem Bayerischen Landwirtschaftsminister a.D. Helmut Brunner zwei ausgewiesene Experten für die Veranstaltung zu gewinnen. 

Wie Högl eingangs ihrer Ausführungen betonte habe Helmut Brunner als Landwirtschaftsminister der Bayerischen Bauernschaft viele Jahre eine starke Stimme verliehen. Als EU-Kommissar habe Franz Fischler die europäische Agrarpolitik wie kein anderer geprägt.

 

MdL Petra Högl: Herausforderungen in der Landwirtschaft sind groß

 

„Die Themen rund um die Landwirtschaft wurden in den vergangenen Monaten intensiv diskutiert. Oftmals wurde leider mehr übereinander als miteinander gesprochen“, so Högl, die auch Mitglied im Landwirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtages ist. Die erst kürzlich stattgefundenen deutschlandweiten Proteste der Bauernschaft hätten die in manchen Teilen vorhandene schlechte Stimmung nochmal zum Ausdruck gebracht. „Die Landwirtschaft steht aktuell vor großen Herausforderungen. Doch dies ist für die Landwirtschaft nichts Neues. Es gab immer große Veränderungen und neue Aufgaben“. Aktuell gebe es in der Landwirtschaft viele Themen, wie etwa die laufenden Verhandlungen zur Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP), der Artenschutz und mehr Biodiversität, die Anforderungen im Bereich Tierwohl, das Handelsabkommen Mercosur aber auch das Miteinander von Landwirtschaft und Gesellschaft. Ein Lob richtete Högl an die Bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, die sich nach den Worten Högls „sehr intensiv für den Erhalt der flächendeckenden bäuerlichen Strukturen einsetze“. „Wir brauchen in Bayern auch künftig bäuerliche Strukturen, überschaubare Betriebsgrößen, bestens ausgebildete Landwirte sowie verantwortlich handelnde Bäuerinnen und Bauern“. Wichtig für die Landwirtschaft sei es jetzt bei der künftigen Gestaltung der Agrarpolitik neben vorhandenen Fakten und Stimmungen auch die Trends in der Landwirtschaft, beispielsweise die zunehmende Direktvermarktung oder auch der Einsatz hochtechnisierter Maschinen, in die Überlegungen einzubeziehen.

 

 

Franz Fischler: Nicht übereinander sondern miteinander reden

 

In seinen einführenden Worten sagte Fischler, er möchte heute einen Beitrag dazu leisten dass „wir nicht übereinander sondern miteinander reden“. „Es gibt in der Landwirtschaft derzeit Themen, mit denen wir uns zeitnah auseinandersetzen müssen, um davon nicht überfahren zu werden“. Hierzu gehöre die Überproduktion, die Leistungen der Bauern für den Erhalt der Kulturlandschaft, der Klimawandel und auch die Digitalisierung. „Wir erleben heute in der Landwirtschaft eine ungeheure Dynamik und große Umwälzungen“. Jedoch sei es beruhigend, dass auch künftig die Menschen jeden Tag möglichst gesunde, hochqualitative Lebensmittel konsumieren wollen. Probleme werde es in den Bereichen der Produktion geben, die über die Nachfrage hinaus gehe. Fischler stellte auch klar, dass die für die gesamte Bevölkerung erbrachten Leistungen der Landwirte im Bereich der Pflege und des Erhalts der Kulturlandschaft zunehmend zu einem Problem würden, da niemand mehr bereit sei diese Leistungen zu bezahlen. Auch mit dem Klimawandel werde sich die Landwirtschaft beschäftigen müssen. Hier sei es wichtig den Wandel so zu gestalten, dass dieser für die Landwirtschaft einen Nutzen bringe. Nicht zuletzt werde auch die Digitalisierung die Landwirtschaft massiv prägen. „Es wird nahezu keinen Wirtschaftssektor geben, in der die Digitalisierung in 10 Jahren eine so große Rolle spielen wird wie in der Landwirtschaft.“ Um all diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern, müssten notwendige Fortbildungsprogramme für die Landwirte angeboten werden.

 

 

Märkte in den Fokus rücken

 

Da die Politik in der Landwirtschaft eine größere Rolle spiele als in anderen Wirtschaftsbereichen müsse man sich intensiv damit beschäftigen, wie die künftig EU-Agrarpolitik aussehe, so der frühere EU-Agrarkommissar. Nicht zuletzt deshalb, da die letzte signifikante Reform der EU-Agrarpolitik 15 Jahre zurück liege. „Hierfür ist es notwendig die Grundfragen und Grundsätze richtig zu definieren“, sagte Fischler. Die neuen Vorschläge aus Brüssel würden 9 spezifische Ziele und das generelle Ziel Innovation beinhalten. Dies seien nach Ansicht Fischlers zu viele. Es gelte vielmehr die zentralen Fragen zu beantworten, wie etwa was sich auf den Märkten tue. Hier gebe es viele Chancen, auch wenn die deutsche Landwirtschaft der Herausforderung gegenüber stehe, dass der Lebensmittelhandel hierzulande von 3-4 großen Konzernen geprägt werde. Nach Fischlers Einschätzung sei es logisch, dass 4 Handelskonzerne sich leichter absprechen können als 100.000 Bauern. Daher begrüße und unterstütze er es, dass die Frage nach besseren, gemeinsamen Aktivitäten der Landwirte gegen die großen Handelskonzerne in den neuen EU-Vorschlägen zum ersten Mal einen Ansatz finde. In diesem Zusammenhang sei es für Fischler auch wichtig in den Reformvorschlägen festzuschreiben, dass in der Vermarktungskette ein höherer Endpreis für den Erzeuger sichergestellt werden solle. Hinzu kommen auch die zunehmenden Preissprünge auf den Märkten, welche unter anderem auf die Variation der Ernten zurückzuführen seien. „Dies führt dazu, dass sich die Preise immer sprunghafter entwickeln.“ Diesen Risiken sei man jedoch nicht hilflos ausgeliefert. Vielmehr forderte Fischler die deutsche Politik auf, der Landwirtschaft hier durch entsprechende Maßnahmen zu helfen, um das Risiko für den Landwirt zu reduzieren. „Die Amerikaner haben genau dies zum zentralen Element ihrer gesamten Agrarpolitik gemacht. 15 Milliarden Dollar an Zuschüssen für Naturalversicherungen investiert die USA in die dortige Landwirtschaft“. Landtagsabgeordnete Petra Högl ergänzte hierzu, dass auch der Freistaat hier aktiv sei. So würde Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber derzeit intensiv für eine Mehrgefahrenversicherungen werben, deren breite Einführung vom Bund und den Ländern gefördert werden solle. „Damit würden wir unsere landwirtschaftlichen Betriebe beim Risikomanagement unterstützen“, führte die Abgeordnete weiter aus.

 

 

Frage der Förderung

 

Neben der Betrachtung der Märkte müsse auch die Frage der Förderung neu überdacht werden. „Bei der ersten Säule der Flächenprämie müsste in das System eine Abstufung rein“, betonte Franz Fischler. Wenn das nicht gelinge würde die Flächenförderung dazu beitragen, dass Großbetriebe noch mehr Preisdruck auf die Kleineren ausüben können, als dies ohnehin schon der Fall sei. „Derzeit fließen 80 Prozent der gesamten EU-Agrarförderung an 20 Prozent der größten Betriebe“. Eine Notwendigkeit sah Fischler auch in der Verschlankung der Bereiche Cross Compliance und Greening, um das System zu vereinfachen. Ein weiterer Punkt, der nach Ansicht Fischlers momentan noch zu wenig diskutiert werde, seien die Überlegungen in der EU, den Mitgliedsstaaten die Erarbeitung nationaler Strategiepläne für alle Fördermaßnahmen der GAP zu übertragen. „Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten, oder wie in Deutschland die Bundesländer, die einzelnen Maßnahmen auswählen, dotieren, kontrollieren und ggf. sanktionieren müssen. Die gesamte bürokratische Last würde so bei den Mitgliedsstaaten bleiben“, sagt Fischler. Seiner Ansicht nach werde dadurch zwar die Agrarpolitik auf europäischer Ebene vereinfacht, dies gelte jedoch nicht für die Mitgliedsstaaten, die „dies vor Ort an der Basis anwenden müssen“. Fischler betonte, dass in den Vorschlägen auf europäischer Ebene einige Punkte nicht enthalten seien, über die man nachdenken sollte. Als Beispiel nannte er hier eine gezielte Humuspolitik, mit der die Landwirtschaft zur Reduktion der Treibhausgase beitragen könne. Modellprojekte hätten gezeigt, dass es möglich sei den Humusgehalt im Boden zu steigern und nachweislich auf einem Hektar Ackerboden 10 Tonnen CO2 pro Jahr zu speichern. „Das gespeicherte CO2 könne der Landwirt dann als CO2-Zertifikat verkaufen und so einen Mehrertrag erwirtschaften“, so Fischler.

 

 

Helmut Brunner: Zeit bis GAP-Reform nutzen, um bayerische Forderungen einzuspeisen

Der frühere Bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner ergänzte, dass bei den Landwirten eine Verunsicherung durch die gesellschaftliche Meinung entstanden sei. „Viele Landwirte wissen heute nicht mehr, was eigentlich die Gesellschaft von ihnen erwartet“. In den kommenden zwanzig Jahren werde sich nach Brunners Ansicht einiges am Ernährungsverhalten der Bevölkerung ändern. Dies mache es gerade für Landwirte schwierig die vor der Entscheidung stehen, ob neue Hallen gebaut oder Maschinen angeschafft werden sollen. Als wesentliches Instrument sah auch Brunner die neue gemeinsame Agrarpolitik der EU. Durch den Wechsel der Kommissare werde es jedoch unmöglich sein den angepeilten Zeitrahmen einzuhalten. Vermutlich werde erst ab 2022 die neue GAP-Reform greifen. „Die Zeit bis dahin sollten wir nutzen, um aus bayerischer Sicht und für unsere Interessen rechtzeitig unsere Vorstellungen einzuspeisen. Dass wir das können, hat die Vergangenheit gezeigt, wenn wir konkrete Vorschläge aus Bayern in Brüssel angebracht haben“, betonte Brunner.